Altruistischer Egoismus: Hilf Dir selbst zuerst

Ein gesundes Maß an Egoismus ist wichtig und eben auch gesund.

Zu Beginn lade ich Dich dazu ein, drei Fragen zu beantworten. Bitte denk nicht groß über Deine Antworten nach, sondern reagiere intuitiv und spontan.

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Startklar? Wunderbar, los geht's:

  1. Wann hast Du Dir zuletzt Zeit für Dich genommen?

  2. Wann wurdest Du bei dieser, Deiner, Zeit nicht gestört oder unterbrochen?

  3. Wann hast Du Dir zuletzt Zeit für Dich genommen und kein - also so gar kein - schlechtes Gewissen gehabt?

Wenn Du bei einer oder mehreren dieser Fragen innehalten und lange in Deinem Gedächtnis suchen musstest, kann dieser Artikel ein hilfreicher Impuls für Dich sein.

Wenn Dir die Antworten leicht fielen - und sie nicht "nie" lauteten- brauchst Du diesen Artikel vermutlich nicht. Natürlich freue ich mich, wenn Du ihn dennoch liest und mir Deine Zeit und Aufmerksamkeit schenkst. :)

Von Egoismus, Werten und individuellen Erfahrungen

Wie alle meine Artikel auf Kaffee-Kater-Mann spiegelt auch dieser hier meine Erfahrung, Meinung und Sichtweise wider. Wenn ich im Folgenden also sehr klar und teilweise absolut formuliere, denk bitte daran: Das sind keine Vorschriften, ich weiß es nicht besser oder habe DIE Lösung, sondern ich stelle dar, wie ich das Thema sehe.

Wenn Du es anders siehst: Lass uns gerne in den Kommentaren diskutieren und uns austauschen. Andere Standpunkte sind immer wertvoll.

Mein Verhältnis zu Egoismus ist kompliziert. Einerseits hatte ich meine massiv egoistische Phase - rückblickend nenne ich sie wenig liebevoll meine A*lochphase - und habe deswegen eine massive Abneigung gegenüber egoistischen Tendenzen und Verhaltensweisen.

Andererseits weiß ich aus eigener Erfahrung, dass ein gesundes Maß an Egoismus wichtig und eben auch gesund ist. Individuelle und persönliche Psychohygiene, Zeit, um die eigenen Batterien aufzuladen, durchzuatmen und Ruhe in die eigenen Gedanken zu bringen, ist unverzichtbar.

Andererseits weiß ich aus eigener Erfahrung, dass ein gesundes Maß an Egoismus wichtig und eben auch gesund ist. Individuelle und persönliche Psychohygiene, Zeit, um die eigenen Batterien aufzuladen, durchzuatmen und Ruhe in die eigenen Gedanken zu bringen, ist unverzichtbar.
— Christian Müller

Wenn Du ähnlich tickst wie ich gibt es da jedoch ein Problem: Intellektuell und rational betrachtet ist klar, dass ich Zeit für mich brauche. Doch wenn ich mir die dann nehme, nagt in meinem Hinterkopf eine leise Stimme. Sie stellt Fragen wie:

  • Bist du sicher, dass du dir diese Zeit leisten kannst?

  • Solltest du nicht etwas arbeiten und was Sinnvolles tun?

  • Was ist, wenn andere dich jetzt brauchen?

  • Anderen geht es echt schlecht, du bist voll privilegiert und legst hier die Füße hoch. Geht's noch?!?

Sicherlich spielen hier viele Faktoren zusammen. Einer ist meine Selbstständigkeit und damit die Versuchung, das Selbst-und-ständig-Mantra wörtlich zu nehmen.

Ein anderer ist meine frühere Arbeit als Sozialpädagoge und die damit verbundene Prägung. Und last but not least spielen sicher auch meine frühere Depression und die natürlich immer noch realen depressiven Tendenzen eine Rolle.

Trotz dieser etwas ungewöhnlichen Kombination von Faktoren bin ich mit der leisen Stimme und ihren Fragen nicht alleine. Im Lauf der Jahre habe ich viele Menschen kennengelernt, denen es ähnlich geht und deren innere Stimme teilweise noch lauter und unangenehmer ist als meine.

Trotz dieser Fragen und Zweifel: Ein gewisses Maß an Egoismus und Selbstfürsorge ist wichtig.

Altruistischer Egoismus kann ein Ansatz sein, dieses gesunde Maß zu leben und die leise Stimme zumindest temporär zum Schweigen zu bringen.

Altruistischer Egoismus: Haltung und Workaround wider die Selbstzweifel

Das erste Mal habe ich das Konzept des egoistischen Altruismus im stationären Hospiz in Ulm kennengelernt. Während meines dualen Studiums durfte ich dort vor vielen Jahren, ich werde alt, einige Monate mithelfen.

Es ist denke ich klar, dass diese Monate enorm wertvoll und lehrreich für mich waren. Von den Trauerbegleiterinnen - ich hatte dort wirklich nur Kolleginnen- und Pflegekräften habe ich das erste Mal gelernt, das scheinbar egoistisches Verhalten auch altruistisch und aus der Sorge für andere motiviert sein kann.

Es hat dann noch viele Jahren inklusive meiner Depression und egoistischen A*lochphase gebraucht, bis ich diese Lektion verinnerlicht und gelebt habe. Doch die Grundlage dafür wurde, im Rückblick, damals gelegt.

Altruistischer Egoismus ist genau das, was der Name vermuten lässt: Ein scheinbar egoistisches Verhalten, das jedoch aus dem Wunsch heraus motiviert ist, für andere da sein zu können.

Sich Zeit für sich nehmen, lesen oder spazieren gehen, das Smartphone ausschalten und nicht erreichbar sein, Einladungen oder Bitten um Hilfe ablehnen, wenn der eigene Akku leer ist - all das und mehr kann dazu gehören.

Natürlich ist es besser, wenn Du solche Dinge aus Selbstfürsorge und eigenem Antrieb Dir selbst zu Liebe tust.

Doch wenn Du Dich in meiner Beschreibung der inneren Stimme wieder gefunden hast, ist das mit Selbstfürsorge aus eigenem Antrieb möglicherweise nicht ganz so einfach.

Mit 5 Fragen zum altruistischen Egoismus

Apropos einfach: Das ist der Einstieg in den altruistischen Egoismus auch nicht. Zumindest dann, wenn Deine innere Stimme meiner ähnelt.

Daher habe ich, falls Du das mit dem altruistischen Egoismus für Dich ausprobieren willst, die fünf Fragen zusammengestellt, die mir dabei geholfen haben, damit zu beginnen.

Wird meine leise Stimme heute zu laut oder nervig, greife ich ebenfalls auf diese Fragen zurück.

  1. Wie muss es Dir in Sachen Energielevel, psychischer und physischer Gesundheit und Stress gehen, damit Du optimal für andere da sein kannst?

  2. Wie gut kannst Du für andere da sein, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind?

  3. Was würden die Dir wichtigen Menschen tun, wenn sie Unterstützung brauchen und Du krank wärst? Gäbe es Alternativen?

  4. Was passiert im Worst Case, wenn Du Bitten um Unterstützung ablehnst?

  5. Ist die Frage, und das Problem, die an Dich gestellt wird nur jetzt gerade wichtig oder werden die Auswirkungen auch in drei Jahren noch relevant sein?

Diese Fragen sind nicht dafür gedacht, Dich in die eine oder die andere Richtung zu lenken. Sie sollen nur zur Reflexion anregen und Dich über Themen nachdenken lassen, die Du von Dir aus nicht angehen würdest.

Lass mich gerne in den Kommentaren wissen, ob und wie die Fragen und das Konzept des altruistischen Egoismus für Dich funktionieren.

Ich freu mich drauf. :)

Bildquelle:

  • Titelbild ©️ Kukota via depositphotos.com

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Interview über Introversion und Selbstständigkeit