Introvertierte und ihre Komfortzone: Wie kannst du sie erweitern?

Wie kannst du deine Komfortzone behutsam erweitern, ohne dich dabei zu verbiegen?

Die Komfortzone erweitern? Auch für dich als introvertierter Mensch ist das machbar. Erhalte praktische Tipps und lerne, über deinen Tellerrand zu schauen.

Hast du schon einmal eine Einladung zu einer großen Party abgelehnt, weil du wusstest, dass du den Abend lieber mit einem guten Buch oder in kleiner Runde verbringen würdest? Wenn das nach dir klingt, dann bist du wahrscheinlich, wie ich, introvertiert.

Introversion ist mehr als nur die Präferenz für Ruhe und Alleinsein. Wir schöpfen unsere Energie aus ruhigen, besinnlichen Momenten. Auf unsere Umwelt wirken wir oft nachdenklich und in uns gekehrt.

Doch das bedeutet nicht, dass wir uns nicht auch außerhalb unserer Komfortzone bewegen können oder wollen. Genau darum geht es in diesem Beitrag: Wie kannst du deine Komfortzone behutsam erweitern, ohne dich dabei zu verbiegen?

Was ist die Komfortzone?

Ein frostiger, kalter Wintertag. Mit einer Tasse heißer Schokolade in den Händen haltend und zwei kuschelnden sowie schnurrenden Katzen. Eingemummelt in mehreren Decken, die ich mit meinem Mann teile, auf einem gemütlichen Sofa sitzend. So stelle ich mir meine Komfortzone vor.

Die Komfortzone ist ein psychologischer Zustand, in dem wir uns sicher und wohlfühlen. Wir kennen die Abläufe, die Menschen und die Umgebung. Alles ist vertraut und vorhersehbar. 

Für uns Introvertierte ist unsere Komfortzone oft wie ein Zufluchtsort, in dem wir uns von der Reizüberflutung der Außenwelt erholen können.

Die wirtschaftspsychologische Definition des Begriffs ist auf den ersten Blick mit ein wenig Negativität behaftet:

Die Komfortzone ist die Gesamtheit der Ziele, Verhaltensweisen und Kontexte, mit denen eine Person ihr kurzfristiges Wohlbefinden maximiert auf Kosten ihrer Entwicklung.
— Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker, WPGS

Ein Aspekt ist hier besonders wichtig: Du kannst dich privat und beruflich nicht weiterentwickeln, wenn du auf der Stelle trittst und dich nicht veränderst – also im Status quo bleibst.

Als introvertierter Mensch verbringe ich zwar gerne Zeit mit dem mir bekannten Umfeld, doch auch ich verspüre die Neugier und die Lust, neue Dinge auszuprobieren – auch, wenn ich das etwas langsamer angehe als beispielsweise mein extrovertierter Partner. ;-)

Warum ist die Komfortzone wichtig?

Warum solltest du dann überhaupt daran denken, diese Zone zu verlassen? Schließlich ist das eigene komfortable Umfeld so schön bequem. 

Die Antwort ist Wachstum. Das Verlassen der Komfortzone, selbst in kleinen Schritten, kann zu neuen Erfahrungen, Fähigkeiten und sogar zu einer tieferen Selbsterkenntnis führen

Es geht nicht darum, dass du deine introvertierte Natur verleugnest oder dich in Situationen zwingst, die dich unbehaglich machen. Es geht vielmehr darum, dein Verständnis von dem, was du als angenehm oder machbar empfindest, sanft zu erweitern – so zumindest meine Auffassung.

Verwechsle dieses behutsame Wachstum bitte nicht mit schnellem Wachstum, das dich schnell überfordern kann. Versuche, den Unterschied zwischen behutsamem Wachstum und Überforderung zu verstehen:

  • Wachstum ermutigt dich, neue Dinge auszuprobieren und deine Grenzen zu erweitern. 

  • Überforderung führt dazu, dass du dich gestresst und unwohl fühlst.

Als Introvertierte ist es entscheidend, diesen Unterschied zu erkennen. Denn wenn du dich außerhalb deiner Komfortzone bewegst, erkennst du anhand der zuvor genannten Beschreibungen, ob dir diese Schritte gut tun oder du etwas ändern musst, damit du behutsam wachsen kannst.

Wenn Komfortzone und die Stärken von Introvertierten aufeinandertreffen

Hast du dich jemals gefragt, was Introvertierte in neue Situationen (Erweiterung der Komfortzone) einbringen können, die vielleicht übersehen werden? Deine Stärken liegen oft in Bereichen, die in einer lauten Welt weniger beachtet werden, aber sie sind ungemein wertvoll:

  • Zunächst sind wir oft ausgezeichnete Zuhörer. Wir neigen dazu, zuzuhören, zu reflektieren und dann zu sprechen, was uns in neuen Situationen eine wertvolle Perspektive verleiht. Wir sind auch meisterhaft darin, tiefe Gedanken und Ideen zu entwickeln. 

  • Unsere Vorliebe für Reflexion bedeutet, dass wir uns die Zeit nehmen, Dinge gründlich zu durchdenken. Diese Tiefe des Denkens ermöglicht es uns, komplexe Probleme zu lösen und kreative Lösungen zu finden.

  • Ein weiterer wichtiger Aspekt ist unsere Empathie. Viele von uns sind sehr einfühlsam und können uns gut in andere hineinversetzen. Dies macht uns zu guten Freunden, zuverlässigen Kollegen und mitfühlenden Führungskräften.

Diese Stärken können dir helfen, deine Komfortzone zu erweitern, ohne dich selbst zu überfordern. Du nutzt schließlich deine vorhandenen Stärken, um dich weiterzuentwickeln. Alles, was du lernen musst, ist, diese in neuen oder für dich ungewohnten Umgebungen einzusetzen.

6 Tipps: So kommst du aus deiner Komfortzone

Der Balanceakt zwischen der eigenen Introversion und dem Heraustreten der eigenen Komfortzone ist gar nicht so leicht einzuhalten. Doch vielleicht helfen dir die folgenden Impulse dabei, die Balance zu halten:

1.Setze kleine, erreichbare Ziele.

Anstatt dich zu zwingen, an einer großen Netzwerkveranstaltung teilzunehmen, beginne mit einem Kaffee mit einem neuen Kollegen oder besuche eine kleine Gruppenveranstaltung, die dich interessiert.

Mein erster Schritt in Sachen gezieltes Netzwerken war es, vor ein paar Jahren zu den Treffen von Global Digital Women zu gehen. Warum? Die Anzahl der Frauen war überschaubar. Es gab fast immer eine Person, mit der ich ins Gespräch kam. Ja, da waren durchaus auch extrovertierte Frauen dabei.

2.Bereite dich vor.

Wenn du dich auf eine neue Situation vorbereitest, kann das viel Stress abbauen. Überlege dir im Voraus, was du sagen könntest, oder recherchiere über das Thema, um dich sicherer zu fühlen.

Wenn mir meine Gegenüber beim digitalen Kaffee über neue Ideen oder Ansätze berichten, frage ich sie gerne Löcher in den Bauch. So finde ich heraus, ob ich diese Ideen adaptieren oder mich einbringen kann. Auf diese Weise baue ich meine Angst vor neuen Dingen ab und traue mich meistens, diese dann auch tatsächlich auszuprobieren.

3.Suche nach ruhigen Momenten.

Auch in neuen Umgebungen gibt es ruhige Ecken. Finde diese Orte, um dich zurückzuziehen und zu entspannen, wenn du eine Pause brauchst.

Eine Couch. Ein Stuhl. Eine leere Ecke. Mein iPad, auf dem ich eine Sketchnote male. Alle diese “Orte” sind eine gute Möglichkeit, sich in einem neuen Umfeld ein wenig zurückzuziehen. Diese Momente nutze ich gerne, um mir einen Überblick zu verschaffen oder in gezielte 1:1 Gespräche zu gehen.

4.Setze Grenzen.

Es ist wichtig, deine Grenzen zu kennen und zu respektieren. Du musst nicht alles auf einmal machen. Es ist völlig in Ordnung, Schritt für Schritt vorzugehen.

Wenn wir bei dem Netzwerktreffen bleiben: Ich würde niemals mehrere Treffen dieser Art hintereinander absolvieren. Energetisch wäre das ein Albtraum. Darum setze ich mir solche Termine bewusst – mit genügend Puffer, um meine Batterien wieder aufladen zu können.

5.Reflektiere über deine Erfahrungen.

Nachdem du etwas Neues ausprobiert hast, nimm dir Zeit, darüber nachzudenken. Was hast du daraus gelernt? Was könntest du das nächste Mal anders machen?

Wenn mich Begegnungen mit anderen Menschen besonders nachdenklich machen, enden diese Erfahrungen meistens hier auf Kaffee, Kater und Mann. ;-) Manchmal diskutiere ich sie aber auch mit meinem Mann oder schreibe sie in einem Notizbuch nieder. So zerlege ich sie nicht ständig in meinen Gedanken und kann etwas für das nächste Netzwerkevent mitnehmen.

6.Sei stolz auf deine Fortschritte.

Jeder Schritt außerhalb deiner Komfortzone ist ein Erfolg. Erkenne deine Leistungen und sei stolz auf dich.

Wenn du “Buch führst” fallen dir deine Fortschritte deutlicher auf – und du kannst sie nicht kleinreden. :-D Ich fokussiere mich manchmal zu gerne auf negative Aspekte in meinem Leben. Gespräche mit meinem Mann und mein Dankbarkeitstagebuch helfen mir dabei, das Positive häufiger zu sehen.

Indem wir diese Tipps befolgen, können wir langsam und sicher unsere Komfortzone erweitern, während wir unseren introvertierten Eigenschaften treu bleiben.

Fazit: Trete aus deiner Komfortzone und bleib du selbst

Deine Komfortzonen zu erweitern bedeutet nicht, dich selbst zu verleugnen, sondern deine einzigartigen Stärken als Introvertierter in neuen Situationen zu nutzen. Dabei ist es wichtig, deine Grenzen zu kennen, kleine Schritte zu machen und deine Erfolge zu feiern.

Jeder Schritt ist ein Sieg. Denke daran: Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern dir selbst die Erlaubnis zu geben, zu wachsen, Neues zu entdecken und deiner introvertierten Natur treu zu bleiben. 

Ich freue mich darauf, deine Geschichten, Gedanken und Erfahrungen zu dem Thema in den Kommentaren zu lesen.

Bildquelle:

  • Titelbild by WindNight via despositphotos.com

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