Wie ich als Introvertierte versuche, mein Glück zu finden

Über das "Glück" und die Suche nach dem Glücklichsein.

Über das "Glück" und die Suche nach dem Glücklichsein.

Sind Introvertierte glücklicher, wenn sie sich wie Extrovertierte verhalten? Vielleicht. Über das "Glück" und die Suche nach dem Glücklichsein.

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“For introverts who want to be more extroverted, you can be. You can behave in a more extroverted fashion and it has benefits.” – Dieser Ansicht ist zumindest Mark Leary, emeritierter Professor am Institut für Psychologie und Neurowissenschaften der Duke University. Laut seiner Studie sind Menschen, die sich auf Parties, Netzwerkveranstaltungen oder anderen Events extrovertierter verhalten, glücklicher. Und auch Introvertierte sollen glücklicher sein, wenn sie gesprächiger, spontaner und durchsetzungsfähiger handeln.

Ja, meine Stirn liegt gerade in Falten. Denn ich bin nicht der Überzeugung, dass ich mich als Introvertierte glücklicher fühle, wenn ich mich so wie eben gerade beschrieben verhalte. Wie geht es dir damit?

In diesem Beitrag möchte ich mich mit dem Thema Glück auseinandersetzen. Lass uns darüber reden, was Glück eigentlich ist, was mich als Introvertierte glücklicher sein lässt und was introvertierte Menschen tun können, um glücklich zu sein. Einen passenden Buchtipp gibt es auch.

Was bedeutet Glück eigentlich?

Für den französische Schriftsteller Maurice Barrès war “[…] das Glück [ist] im Grunde nichts anderes als der mutige Wille, zu leben, indem man die Bedingungen des Lebens annimmt”. Ein sehr bodenständiger und realistischer Ansatz – und doch fehlt hier irgendwie etwas Lebensfreude.

Die “Eudaimonia”, ein Buch von Aristoteles, beschäftigt sich auch mit dem Thema Glück: “Die Glückseligkeit stellt sich dar als ein Vollendetes und sich selbst Genügendes, das sie das Endziel allen Handelns ist.” (Aristoteles, Nikomachische Ethik, 350 v. Chr. 1097 (I, 5.) Übersetzt von Eugen Rolfes, 1911) Für ihn war das Glück das Endprodukt allen Handelns.

Für Platon entstand Glücklichsein aus der Balance von Seele, Vernunft, Wille und Begehren. Heutzutage wird im Allgemeinen der Ansatz vertreten, dass wir alle für unser Glück selbst verantwortlich sind.

Den Begriff lässt sich aber noch differenzierter betrachten.

Warum ist Glück nicht gleich Glück?

In der Glücksforschung unterscheidet man zwischen zwei Arten von Glück: Lebensglück und Zufallsglück.

Das Lebensglück ist vom eigenen Handeln und der eigenen Lebensweise abhängig. Weitere Einflüsse auf diese Glück haben Finanzen, Arbeit, Spaß und persönliche Freiheit.

Das Zufallsglück lässt sich aber keinesfalls beeinflussen. Es kommt plötzlich und ungeplant. Mit dieser Form des Glücks ist auch die Ausschüttung von Glückshormonen verbunden. Doch deren Wirkung dauert nur kurz an. Ein Glückszustand nach dem wir nicht dauerhaft streben sollten.

Nach mehr Lebensglück zu streben scheint hingegen der bessere Ansatz zu sein.

Wie definiere ich als Introvertierte für mich Glück?

Ich spreche selten von Glück. Ich rede lieber von Zufriedenheit. :-) Was mich zufrieden werden lässt? Das sind eigentlich drei ganz einfache Dinge und ich bin mir sicher, dass du sie schon kennst: Guter Kaffee, unsere beiden Kater und mein Mann.

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Klar, ich mach es mir damit sehr einfach. Aber im Lauf der Jahre habe ich gemerkt, dass es die kleinen und einfachen Dinge sind, die mich am glücklichsten machen.

Ja, Selbstständigkeit und Beruf machen mir sehr viel Spaß. Aber wie bei meinem Mann nimmt der Arbeitsalltag sehr viel Zeit in Anspruch. Für die kleinen Dinge bleibt dann nicht mehr so viel Raum. Umso wichtiger ist es also für mich, diese zu genießen und zu zelebrieren, so gut es geht.

Vom Feiern des Konsums hin zum Genießen der kleinen Momente

Ich habe ein wenig gebraucht, bis ich meine eigene Zufriedenheit auf diese Art und Weise für mich definiert habe. Davor bin ich – wie leider ein Großteil der Menschen heutzutage – den gesellschaftlichen Vorstellungen von Glück hinterhergelaufen: Viel konsumieren, trendige Gegenstände für absurde Preise kaufen und viel Geld für Aktivitäten ausgeben, die sehr beliebt sind, mir aber eigentlich nie Spaß gemacht haben. Das ging ein paar Jahre so.

Als ich Christian kennengelernt habe, änderte sich meine Perspektive. Lass es mich so umschreiben: Sobald du die richtige Person kennenlernst – sei es ein/e gute/r Freundin oder Lebenspartner/in – ändern sich die Prioritäten und die Wertvorstellungen. Mir ist es mittlerweile weitaus wichtiger, schöne Erlebnisse und Erfahrungen mit meinem Mann und unseren Freunden zu teilen, als Geld in andere, oft sinnlose Anschaffungen zu stecken.

The Happiness Paradox

Wie kann es passieren, dass wir so viel Geld für “Kram” ausgeben? Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir oft unsere Zeit damit verschwenden, darüber nachzudenken, was wir alles nicht haben. Wir sehen oft nicht, was wir eigentlich schon alles haben und wie kostbar dieses ist.

Je öfter wir über die Dinge, die wir nicht haben, nachdenken, umso unglücklicher und unzufriedener mit unserem eigentlichen Leben werden wir. Wir fangen an diesen falschen Träumen und Vorstellungen hinterher zu jagen. Wenn wir uns diese erfüllen, fühlen wir uns aber nicht notwendigerweise glücklicher. Der Teufelskreis beginnt von neuem, sobald uns etwas anderes den Kopf verdreht.

Der Filmemacher, Minimalist und YouTuber, Matt D’Avella, bezeichnet diesen Umstand als “The Happiness Parapdox”.

Wichtiger ist es, seine eigene Zufriedenheit zu suchen, statt den gesellschaftlichen Vorstellungen von Glück hinterher zu laufen. Leichter gesagt als getan. Wohlbefinden ist eben kein Ort oder ein Ziel, dass das Ende deiner Reise bedeutet und du glückselig bis ans Ende deiner Tage leben kannst. Glück ist ein Prozess und oft braucht es ein ganzes Leben, bis man herausgefunden hat, was einen tatsächlich zufrieden(er) macht.

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Diese Reise hat Maike van den Boom sprichwörtlich unternommen. Sie reiste durch die 13 glücklichsten Länder der Welt, interviewte “glückliche Menschen” und fasste die Erkenntnisse in dem Buch “Wo geht’s denn hier zum Glück?” zusammen.

Sie beschreibt, warum Dinge wie ein anderer Umgang mit der Zeit, mehr Vertrauen, Respekt, mehr Konsens, mehr Gelassenheit und Humor glücklicher machen können, als alles andere.

Das klingt etwas sehr philosophisch. Geht es denn nicht ein wenig praktischer? Klar, geht das. :-)

Wie können Introvertierte glücklicher werden?

Betrachte die Tipps und Ansätze, die ich dir im Folgenden zeigen werden, als Inspiration. Denn, wie du jetzt weißt, sollte das Streben nach Glück ein individueller Weg sein. Wichtig ist das, was dich zufrieden macht.

Weißt du wer du bist?

Zufriedenheit entsteht, wenn man sich selbst zu schätzen weiß – insbesondere dann, wenn du Eigenschaften hast, mit denen du aus der Masse herausstichst. Aber wie kann man sich diese Zufriedenheit aneignen?

  1. Kenne dich und deine Eigenschaften. Sei dir deiner Selbst bewusst, schätze deine Talente und definiere deine Grenzen, bis zu denen du bereit bist zu gehen. Versuche eine Tätigkeit auszuüben, die zu dir passt – egal, ob es sich dabei um einen Beruf, ein Ehrenamt oder ein Hobby handelt.

  2. Bleib zuversichtlich. Mach dir keine Gedanken darum, was andere von dir denken. Tu das, was dich am glücklichsten macht.

  3. Verlass – ab und zu – deine Komfortzone. Von der am Anfang zitierten Studie halte ich wenig. ;-) Aber es ist nicht verkehrt, neue Dinge auszuprobieren. So entdeckst du ungeahnte Talente und schaust über den eigenen Tellerrand hinaus.

  4. Niemand ist perfekt und Fehler sind okay. Statt nach Perfektion zu streben, ist es besser, sich auf die eigene Weiterentwicklung zu konzentrieren. Versuche aus deinen Fehler zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen.

  5. Schätze dich und andere Menschen in deinem Umfeld. Erkenne nicht nur deine Talente, sondern lerne auch die Fähigkeiten der Menschen aus deiner direkten Umgebung kennen. Glücklich zu sein, ist auch mit Dankbarkeit, die du für andere Leute in deinem Leben hast, verbunden.

Sich selbst zu kennen, zuversichtlich zu sein, ab und zu die Komfortzone zu verlassen, aus Fehlern zu lernen und sich sowie andere Menschen zu schätzen, machen einen zufriedener mit sich selbst und seinem Leben.

Diese Verhaltensweisen können auch glücklich machen. Eigentlich kann sich jeder daran orientieren. Denn die genannten Punkte sind Verhaltensweisen, die jeder unabhängig vom Charakter und der Persönlichkeit leben kann.

Glücklicher werden in vier Schritten

Auf wikiHow habe ich auch eine schöne Anleitung gefunden, wie man als introvertierter Mensch glücklicher werden kann. Der Ansatz weißt inhaltliche Ähnlichkeiten zu den zuvor genannten Punkten auf. Der Beitrag nennt die vier folgenden Schritte für mehr Zufriedenheit im Leben:

  1. Am wichtigsten ist es, dass du dich selbst akzeptierst, so wie du bist. Es geht nicht darum, die Akzeptanz von anderen zu gewinnen. Du bist so wie du bist. Du willst kontaktfreudiger werden? Dann werde kontaktfreudiger. Aber auch nur dann, wenn du das von dir aus willst und nicht, weil es sich anderen Menschen von dir wünschen.

  2. Versuche nicht jemand zu sein, der du nicht bist. Der Punkt ist mir früher immer sehr schwer gefallen. Ich wollte immer alle anderen Menschen glücklich machen. Verstelle und verbiege dich nicht zu sehr. Schlussendlich handelst du damit gegen deine Persönlichkeit.

  3. Konzentriere dich auf die Dinge, die du gut kannst und liebst. Manchmal denke ich zu lange über Fähigkeiten nach, die ich nicht beherrsche und das zieht mich ein wenig herunter. Besser ist es, sich auf Eigenschaften und Talente zu konzentrieren, die positiv sind und die man gut kann.

  4. Mein persönlicher Lieblingstipp: Mach bei Bedarf eine Pause und entschuldige dich nicht dafür. Man fühlt sich als Introvertierter Mensch schnell müde, wenn man mit vielen Menschen umgeben ist. Danach braucht es ein wenig Zeit, um den Akku wieder aufzuladen. Aufgetankt können wir dann wieder die bestmögliche Version unserer Selbst sein. :-)

Glücklicher sein Dank Hygge?

Eine Idee, die verrückt klingen mag, aber eigentlich einen guten Ansatz verfolgt. Denn Hygge ist mehr als ein Wohn- oder Lifestyletrend.

Der Begriff bedeutet, sich mit einfachen Ritualen und Dingen, wie einer warmen Decke, einem guten Buch oder auch einen warmen Tee zu umgeben – der Traum eines jeden Introvertierten.

Hygge bedeutet auch, ein Bewusstsein für die eigene Umgebung zu entwicklen und herauszufinden, wie man diese beeinflussen kann, um sich gut oder sogar noch besser zu fühlen.

Mehr Gedanken zu diesem Ansatz findest du hier.

Glücklichsein ist Definitionssache

Jetzt weißt du, was hinter dem Begriff Glück steht, wie ich zu ein wenig mehr Zufriedenheit gefunden habe, warum wir ständig mit dem Streben nach Glück zu kämpfen haben und du als introvertierter Mensch mit dem einen oder anderen Ansatz selbst dein Wohlbefinden finden oder optimieren kannst.

Der nächste Beitrag wird ein Interview mit Maike Kranaster von Flowers & Candies sein. Wir werden unter anderem über Minimalismus sprechen und wie dieser Ansatz auch mehr Zufriedenheit für introvertierte Menschen schaffen kann.

Aber jetzt zu dir. Erzähl mal: Was macht dich glücklich? Hast du schon dein Glück gefunden? Unterscheidest du zwischen Zufriedenheit, Wohlbefinden und Glück?

Bildquelle:

  • Titelbild ©️ Dubova via depositphotos.com

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Interview über Glücksmomente, Minimalismus und Introversion

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Kann ich zuhören lernen? Tipps einer Introvertierten